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(c)Sergey Ryzhov

Milchmarkt - nur zögerliche Stabilisierung

Ausgesprochen schwer gestaltet sich derzeit die Analyse des Milchmarktes, vor allem wenn nach einer über drei Monate hinausgehenden Prognose gefragt wird. Seriöse Vorhersagen abzugeben ist angesichts sich häufig ändernder und von der Branche kaum beeinflussbarer Rahmenbedingungen nahezu unmöglich. Nach fast 9 Monaten Rückwärtsbewegung an den Märkten und zum Teil bereits massiven Rückgängen bei den Milchpreisen wird vermehrt nach dem berühmten Licht am Ende des Tunnels gefragt. 
Man hätte in den vergangenen Monaten den Markt so gerne „angeschoben“, um die Milchpreise noch etwas länger auf dem historischen Niveau um die Jahreswende 2022/2023 absichern zu können. Allein es hat nichts geholfen, kleine Anzeichen einer Stabilisierung wurden schnell wieder einkassiert. Erst jetzt getraut man sich wieder von einer leichten Entspannung am Milchmarkt zu sprechen. Wann dies allerdings wieder zu einer Trendwende bei den Milchauszahlungspreisen führt, die seit Januar dieses Jahres bisher schon gut 10 Cent im Süden Deutschlands nachgeben haben, mag man kaum zu prognostizieren. Vor allem auch deshalb nicht, weil die beiden großen Kontraktrunden mit dem Handel über das Standardsortiment der gelben und weißen Linie unter dem Eindruck instabiler Märkte abgelaufen sind.
Zu den Fakten: In der EU wird – mit Ausnahme von Deutschlands und den Niederlanden – weniger Milch erzeugt. Das Produktionswachstum liegt EU-weit aktuell bei Null, vor allem dank trockenbedingt stärkerer Rückgänge in Südeuropa und Frankreich. Was Hoffnung macht, sind die sich stabilisierenden Rohstoff- und Terminmärkte: Spotmilch wird zuletzt wieder bei knapp 40 Cent gehandelt, die Butterkontrakte an der EEX liegen für Sommer und Herbst wieder ziemlich stabil über 5 Euro/kg. Auch das Magermilchpulver nähert sich mit etwa 2,80 Euro/kg wieder in Schlagweite der 3-Euro-Marke. Der Kieler Börsenmilchwert steigt somit von derzeit noch unter 40 Cent auf etwa 44 Cent/kg für Herbst an. Diese Werte liegen zwar immer noch weit unter den zuletzt im Süden Deutschlands und somit auch  in Bayern ausgezahlten Milchpreisen. Doch allein das Signal einer Stabilisierung und somit „Bodenbildung“ macht Hoffnung. Und nicht zuletzt hat sich auch beim Kieler Rohstoffwert bei der letzten Berechnung für Mai eine Bodenbildung eingestellt: Nach 1 Jahr (!) ununterbrochenem Rückgang vom Höchstwert April 2022 mit 67,5 ct/kg und einem Verlust von mehr als 30 ct/kg hat sich erstmals von April auf Mai 2023 ein Plus von 0,1 ct/kg auf 36,4 ct/kg eingestellt.
Ungeachtet der Tatsache, dass seit Wochen das Milchaufkommen in Deutschland weiter noch etwa 1,5 Prozent über der Linie von 2022, aber auch ziemlich genau auf dem Niveau von 2021 liegt, ist die Anlieferung aktuell bereits wieder saisonal rückläufig, entlastet somit die Märkte. Bei der Nachfrage ist dagegen über alle Produktgruppen immer noch ein Minus zu konstatieren, trotz in den vergangenen Monaten wieder rückläufiger Endverbraucherpreise (EVP). Am stärksten bemerkbar war dies bei abgepackter Butter, die vom Höchststand Ende vergangenen Jahres zum aktuell bei 1,45 Euro/250 g liegenden EVP um 84 Cent/250 g günstiger zu haben ist. Und trotzdem muss die Nachfrage durch wöchentliche Rabatt-Aktion weiter massiv über den Preis stimuliert werden.
Die aktuell beschriebene Stabilisierung des Marktes kam für die letzten Kontraktrunden mit dem Handel leider zu spät. Sehr unterschiedlich wird aktuell in Erzeugerkreisen diskutiert, welche Hebel und Einflussmöglichkeiten denn bei einem global ausgerichteten Milchmarkt überhaupt gegeben sind. Ob allerdings eine in den vergangenen Jahren durchaus diskutable befristete Mengenanpassung gegen Entschädigung noch ein wirkliches Instrument sind, mag stark bezweifelt werden. Die viel beschworene, manchmal auch zu schnell ausgerufene „Krise“ hat jetzt andere Ursachen: Die Milchanlieferung wird sich nachhaltig rückläufig entwickeln, sollte der Ideologie der Politik und den ethischen Bedenken der Verbraucherschaft gegenüber dem Konsum tierischer Erzeugnisse nichts entgegengesetzt werden können. Die gegen die Milch gefahrenen Kampagnen vor allem seitens von „Tierrechtlern“ dürfen keinesfalls stillschweigend akzeptiert werden, auch wenn faktenbezogene, aber durchaus emotional angelegte Werbung mühsam erscheint. Das erklärte politische Ziel ist eine Reduzierung der Rinder- und Milchviehhaltung, wobei in Deutschland manche sich sogar unverblümt von einer „Halbierung“ zu sprechen getrauen. Der als Luftballon des BMEL verbreitete Entwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes erlaubt es, von einem drohenden Strukturbruch vor allem in Süddeutschland zu sprechen, sollten die aufgeführten Änderungen im Rinderbereich unkorrigiert Umsetzung finden. Aber nicht nur in Deutschland, auch in typischen Milcherzeugerregionen der EU wie den Niederlanden oder aktuell in Irland stehen aus Umwelt- bzw. Klimaschutzgründen massivste Eingriffe in die Rinderbestände zur Disposition. Erstaunlicherweise reagiert der Markt und seine Akteure im nachgelagerten Bereich auf solche Schreckensszenarien noch recht gelassen. Wenn die OPEC in dieser Weise und Dimension an der Förderschraube drehen würde, würden Markt und Preise sofort reagieren.

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