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Wir bayerischen Milchbauern

Ludia Bradl

ist Erlebnisbäuerin mit Herz und Seele. Seit Herbst 2011 gestaltet sie zahlreiche Erlebnisangebote und zeigt, wie vielseitig die Landwirtschaft ist.

Erlebnisbauernhof "Beim Hibsch"

Als Lucia Bradl von der einjährigen Ausbildung zur Erlebnisbäuerin erfuhr, hat sie sich umgehend angemeldet. Im Herbst 2011 bekam sie ihr offizielles Zertifikat. „Die Arbeit als Erlebnisbäuerin ist mein Traumberuf und bringt auch zusätzliches Einkommen für den Hof. Der einzige Haken: Wegen der Tiere können wir kaum Urlaub machen. Aber gelegentliche Städtereisen mit meinen Töchtern, das muss schon sein.“

Der Milchkuhhof  „Bei uns im Laufstall stehen 75 Milchkühe, es gibt Kälber und einen kleinen Hühnerstall mit Auslauf. Wir bewirtschaften 80 Hektar Land und erzeugen fast das gesamte Futter auf dem Hof. Rapsschrot kaufen wir als energie- und eiweißreiches Futter zu. Soja kommt aus Europa und wird gentechnikfrei angebaut wie alle anderen Futterbestandteile. Mit der Haltung im Laufstall erzeugen wir Milch der Haltungsform zwei. Große Investitionen in Um- oder Neubauten, etwa für die Umstellung auf Weidehaltung, muttergebundene Kälberhaltung oder Bio kämen für meinen Mann Hubert und mich nicht mehr in Frage. Da müsste die nächste Generation handeln. Aber ob eine der Töchter den Hof weiterführt, wissen wir noch nicht.“

Vielseitige Angebote  „Neben dem Freizeitprogramm für Familien gibt es auch solche für Schulklassen und Kitagruppen. Sehr beliebt sind Kindergeburtstage auf dem Hof, und der Höhepunkt des Jahres sind die Termine zur Stallweihnacht, mit weihnachtlich geschmückter Strohhüpfburg und Krippenbasteln. Die musste 2021 leider ausfallen. Genau wie die beliebten Brotzeiten. Wenn es wieder machbar ist, gibt es Brot, Käse und viel Gemüse für ein gemeinsames Essen. Größere Kinder lieben es, aus Sahne ihre eigene Butter zu schütteln. Und was sehr gut ankommt ist gemeinsames Puddingkochen aus unserer Milch oder das Pfannkuchenbacken. Dabei kann ich alles verwenden, was wir auf dem Hof erzeugen: Milch und Rapsöl, Eier und Mehl aus unserem Getreide.“ 

Neues Familienprogramm  „Den Kontakteinschränkungen der Corona-Pandemie verdanke ich die Idee für ein Angebot an Familien. Es gibt Kindern viel Freiraum für eigene Entdeckungen. Zu Beginn erkläre ich die Stationen wie den Kuh- und Kälbchenstall oder die Fütterung. Dann können sie den Hof entdecken. Für Fragen und Erklärungen bleibe ich natürlich ansprechbar. Am Anfang konnte ich es schwer aushalten, dass ich anders als früher wenig lenke. Aber die Freiheit kam extrem gut an. Ich weiß jetzt, dass genau das bei Kindern zu kurz kommt: Sie sind dermaßen durchgeplant, dass sie kaum Entdeckungen im eigenen Tempo machen. Wir Erwachsenen haben es verlernt, ihnen die Zeit zu geben, die sie brauchen, um alles zu checken.  

Kinder lieben Tiere   „Viele Kinder – und nicht nur die aus der Stadt – haben noch nie eine Kuh oder ein Huhn gestreichelt. Eigentlich alle haben großen Spaß an dem Besuch auf dem Hof. Selbst jene, die am Anfang fremdeln oder sagen, dass es hier komisch riecht. Sobald sie mit Schubkarre, Schaufel oder Trettraktor unterwegs sind, Futter heranholen oder in der Heuhüpfburg toben, ist der Bann gebrochen. Kinder wollen wirklich gerne mithelfen. Wir gehen zu den verschiedenen Futterquellen, zum Beispiel in das Grassilage- oder Getreidelager. Dort schaufeln sie ihre Schubkarren voll, um die Kühe später zu füttern. Nebenbei lernen sie, welche Futterbestandteile die Tiere brauchen. Dann stellen sie eine Kuhpizza zusammen. Ich nenne das so, wenn sie je zwei Hände voll mit Gras- und Maissilo, eine Prise Getreideschrot, Zuckerrübenschnitzel und Rapsschrot auf Teller anordnen und den Kühen hinhalten und entdecken, dass Kühe Futter mit der Zunge und nicht mit den Zähnen fressen. Echtes Erleben bleibt einfach besser haften als theoretische Erklärungen. Zum Ausruhen, sich selbst Spüren, Toben und Spielen gibt es die Heuhüpfburg und das Maisbad. Beides absolute Lieblingsplätze, nur getoppt von der Möglichkeit, auf einem echten Traktor sitzen zu dürfen. Alleine kann ich das alles nicht stemmen. Momentan unterstützt mich unsere älteste Tochter Anna-Maria. Sie ist es, die mit den Kindern in den Hühnerstall geht, wo die Tiere gestreichelt oder in den Arm genommen werden können.

Landwirtschaft erklären   „An allen Stationen auf dem Hof hängen Schautafeln, die vor allem Erwachsene lesen. Ich möchte niemanden belehren und akzeptiere andere Ansichten. Häufiger kommt Widerspruch zur Kälberaufzucht. Wir trennen sie direkt nach der Geburt von der Mutter, damit keine Bindung entsteht. Muttergebundene Kälberaufzucht wäre bei den Gegebenheiten im Stall hier nicht machbar. Insgesamt kommt viel Wertschätzung für unsere Arbeit in der Landwirtschaft. Das tut gut. Wenn ich die Zeitung aufschlage und lese, was dort geschrieben wird, bin ich frustriert. Das Bild dort: Landwirte quälen ihre Tiere und vergiften die Böden. Das ist wirklich weit weg von unserer Realität.“

Moderate Preise    „Mir ist wichtig, dass der Besuch für Familien machbar ist. Für die zwei- bis dreistündigen Programme berechne ich zwischen sechs und acht Euro pro Kind. Nur bei aufwendigeren Ferienprogrammen und Kindergeburtstagen sind die Preise höher. Im Rahmen des Schulprogramms für Hofbesuche zahlen die Klassen nichts, weil ich meine Aufwendungen über das Landwirtschaftsministerium abrechnen kann.“

Traditionshof   „Der Hof wird im 17. Jahrhundert erstmals erwähnt. Im Besitz unserer Familie ist er schon seit vielen Generationen. Meine Eltern leben mit auf dem Hof. Als älteste von vier Schwestern habe ich den Betrieb zusammen mit meinem Mann Hubert, der gelernter Landwirt ist, übernommen. Ich war Bankkauffrau und bin nach den Geburten unserer Töchter Anna-Maria, Antonia und Magdalena in die Hofarbeit eingestiegen. Aber ehrlich: Erst mit der Kombination Erlebnisbäuerin ist das Hofleben als Mutter und Landwirtin so richtig mein Ding.“  

© VMB | Interview: Elke Hoffmann | Februar 2022 | Foto: Beim Hibsch


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