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Warum nur Fleisch, Frau Klöckner?

Die vergangenen Wochen waren für die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner, nicht ganz leicht, gleichwohl sie mit nochmals gesteigerter Frequenz unterwegs und PR-mäßig zugange war. Da waren die Konferenzen mit den nationalen und EU-Agrarministern, möglicherweise auch bereits der beginnende Bundestagswahlkampf, bei dem nach fast zwei Jahrzehnten im Kanzleramt eine nicht unbedeutende Planstelle neu zu besetzen ist. Oder war es nur - aus herkünftiger Verbundenheit - die Aussicht auf eine besonders gute Weinernte in heimischen Gefilden: So viele Initiativen von ihr, quer durch den landwirtschaftlichen Tier- und Gemüsegarten hat es selten gegeben. Und man ist ja von Politiker*innen einiges gewohnt, wenn es um deren (Selbst) darstellung und das damit verbundene Versprechen der Weltenrettung geht.

Da war einerseits die Sonderagrarministerkonferenz Ende August in Berlin, nach der Bund und Länder (noch) bessere Lebensbedingungen für Kühe, Schweine und andere Nutztiere (nur?) in Deutschland erreichen wollen, dafür als Tierwohl-Abgabe eine neue Steuer einführen möchten. Die Umsetzung dieses Vorhabens und dessen Finanzierung soll nun bis Frühjahr mit Hilfe einer Machbarkeitsstudie konkretisiert werden.

Anfang dieser Woche hatte Ministerin Klöckner im Rahmen der aktuellen EU-Ratspräsidentschaft ihre europäischen Amtskollegen ins heimatliche Rheinland-Pfalz eingeladen. Mit der Führung durch die Steilwände der Weinberge rund um Winningen wollte Frau Klöckner sicherlich die politische Sisyphusarbeit bildstark darstellen. Im Gestrüpp der Meinungsvielfalt ist es eben, zum Leidwesen auch vieler Landwirte und Milcherzeuger, doch nicht so einfach, den politischen Stein (des Anstoßes) bis ganz ans Ziel, bis ganz nach oben zu bringen. Viel zu oft fällt dieser Stein wieder ein Stück weit oder gar ganz zurück und die politische Arbeit beginnt wieder von vorne, bei Adam und Eva. Vielleicht müssen - wie in den Steillagen von Winningen - demnächst auch in der Politik digitale Techniken in Form von Drohnen eingesetzt werden. Vorteil: Drohnen menscheln nicht und kennen auch kein Parteibuch!

Mit einem verstohlenen Lächeln konnten die landwirtschaftlichen Nutztierhalter Klöckners Vorstoß für eine Verbesserung des Hunde-Wohls beobachten. Da hatte sie doch glatt von den Herrchen und Frauchen aller einschlägigen Vierbeiner der Gattung Hund ein verbindliches tägliches Gassi-Gebot gefordert. Damit wollte sie die Hundebesitzer besser an die Leine nehmen und den Hunden ein Mindestmaß an täglichem Freigang gewähren. Die Reaktion der Hunde- und Leinenhalter war (nicht) überraschend, vor allem in dieser Vehemenz und Schärfe. Denn mit diesem Vorstoß scheint Frau Klöckner den Hundehaltern kräftig auf die Leine getreten zu sein: Sie, die Ministerin solle sich doch besser um die Probleme der Nutztierhaltung kümmern, war der einhellige Tenor in sozialen Medien und Leserbriefspalten. Dort wurden auch weitere "Kenntnisse" über vermeintlich gängige Praktiken in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung als Alternativangebot zur vorgeschlagenen hundlichen Auslaufpflicht aufgeführt: Massentierhaltung, quälerische Tiertransporte, Sauenhaltung in Kastenständen, Kastrieren und Kupieren ohne Betäubung bei Ferkeln, Schreddern und Vergasen von Küken usw. sollten doch zu vorderst beseitigt werden. Alles, was der heutige Normalbürger aus Funk, Fernsehen und mit dem eingeschränkten Wikipedia-Wissen einzubringen meint, wurde als Argument aufgeführt. Wir meinen: Wenn Haustiere, gerade die Hunde oftmals als Partnerersatz herhalten müssen, sollte eine tägliche und verbindliche Bewegung außerhalb der sicherlich nicht art- und hundegerechten vier Wände von Herrchen und Frauchen allemal möglich sein.

Den landwirtschaftlichen Nutztierhaltern etwas Gutes tun wollte schlussendlich Frau Klöckner Ende August mit ihrem Vorstoß für ein Preis- und Lockvogelverbot für Fleisch. In einem Schreiben an Justizministerin Lambrecht zeigte sie auf, dass sie Lockvogelangebote für mehr als bedenklich hält. Das Justizministerium solle doch das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb um das Verbot von Lockvogelangeboten ergänzen. Aus Erzeugersicht kann ein derartiger Vorstoß nur unterstützt werden und soll keineswegs die im Handel allgemein und bei Lebensmitteln im Besonderen eingeführte Praxis, dass jede Woche Produkte "im Angebot" sein müssen, verbieten. Angebote sind aus dem unterschiedlichsten Gründen nun mal Teil der Marktwirtschaft. Aber muss es wirklich ein Nachlass von bis zu mehr als 50 Prozent des üblichen Verkaufspreises bei Lebensmitteln sein? Erstaunlich war die sehr unterschiedliche Reaktion aus den Reihen von Parteien und Verbänden, die eher die Tendenz einer Ablehnung dieses Vorschlages in sich trugen. Auch das Justizministerium zeigt sich vom Vorstoß bisher nur wenig begeistert.

Wir meinen: Wenn sich die Politik - wie beim Vorstoß von Frau Klöckner - weiter dafür einsetzt, Lebensmittel (in diesem Falle nur von Fleisch) von "einst lebenden Tieren" nicht mehr als Ramschware feilbieten zu lassen, sollte diese nicht zu einer politischen Trennkost führen. Auch Milch und Milchprodukte werden wöchentlich mit einem Nachlass von bis zu 58 Prozent verramscht. Durch solche Aktionen mit extrem niedrigen Preisen verlieren die Verbraucher nicht nur die notwendige Wertschätzung für Lebensmittel, sondern auch jegliches Gespür für den Aufwand bei deren Erzeugung. Mit der Folge, dann beim nächsten Interview als reine Lippenbekenntnisse wieder den Wunsch nach faireren Preisen für den Landwirt und mehr Tierwohl - in welcher Reihenfolge auch immer - vorzubringen.

 

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