Mitte 2016 hat die EU-Kommission die vom damaligen französischen Landwirtschaftsminister Le Foll geforderte verpflichtende Herkunftskennzeichnung für Milch- und Fleischprodukte genehmigt. Zu Beginn des Jahres 2017 wurde dies auch, befristet für zwei Jahre umgesetzt. Während die Befürworter dieser sehr strittigen Maßnahme ein Instrument gesehen haben, den Verbrauchern klarere und transparentere Informationen über die zur Auswahl stehenden Lebensmittel zu liefern, sahen Kritiker damit das Ende der EU-Binnenmarktstrategie eingeläutet. Denn mit Frankreich wurde die Herkunftskennzeichnung auch in Italien, weiteren südeuropäischen Ländern und auch in einigen der baltischen Staaten verpflichtend eingeführt. Hintergrund bei Milch und Milchprodukten waren meist die zum Teil deutlich unterdurchschnittlichen Selbstversorgungsgrade in diesen Ländern, aber unzweifelhaft auch der Schutz der zahlreichen Produkte mit geschützten Ursprungsbezeichnungen. In letzter Zeit wird auch im Nachbarland Österreich sehr intensiv über dieses Thema diskutiert. Nach einer Klage des französischen Molkereikonzerns Lactalis gegen das Dekret aus 2016, das trotz der genannten Befristung bis jetzt immer noch angewandt wurde, hat jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine Entscheidung getroffen.
In der vor wenigen Tagen getroffenen Entscheidung des EuGH ist nach erster Einschätzung des VMB durchaus noch Spielraum gelassen. Unumstößlich Fakt ist jetzt aber, dass das Vorgehen Frankreichs aus 2017 und die Folgen daraus von weiteren Staaten nicht akzeptiert wird. Nach dem Urteilsspruch werden wohl auch künftig derartige Kennzeichnungen möglich sein, allerdings in viel engeren Grenzen als dies bisher gehandhabt wurde und weiter gehandhabt werden sollte. Während Lactalis seine Klage noch damit begründet hatte, dass die bisherigen Vorgaben Frankreichs gegen die geltende EU-Lebensmittel-Informations-Verordnung (LMIV) verstoßen würde, begründet das EuGH seine Entscheidung nun, dass bei einer obligatorischen Kennzeichnung, ein nachweislicher Zusammenhang von Qualität und Herkunft gegeben sein müsse. Bei Milch und Milchprodukten ist dies ein durchaus schwieriges Unterfangen, zumal die Mehrheit der Verbraucherschaft dieser Information eine wesentliche Bedeutung beimessen müsste: An der Kasse, nicht am Mikrofon!
Dass einzelne EU-Mitgliedstaaten weiterhin Initiativen in diese Richtung starten werden, dürfte aber ziemlich sicher sein. In vielen Ländern der EU sind vermehrt protektionistische Tendenzen erkennbar, die bei Lebensmitteln mit am besten ausgereizt werden können. Auch der Begriff „Regionalisierung“ hat nicht erst seit der starken Verunsicherung der Verbraucher durch die Corona-Pandemie deutlich an Rückenwind gewonnen. Nicht zu Unrecht, wünscht sich doch auch der weltläufige Verbraucher, angesichts der Dynamik der Globalisierung mit all deren nicht nur positiven Facetten, zumindest auf dem Teller wieder ein Stück Heimat. Zudem will bekanntlich die EU-Kommission nationale Herkunftsangaben mit der „Farm-to-Fork-Strategie“ sogar stärken.
Die bayerischen Verbraucher könnten diese ganze Diskussion relativ gelassen auf sich zukommen sehen, ohne dass die Politik erst aktiv werden muss oder die bereits beschriebene EU-Binnenmarktstrategie in Frage gestellt würde: Mit Lebensmitteln, versehen mit dem Siegel "Geprüfte Qualität - Bayern" (GQ) wäre die Herkunft lückenlos gesichert - und die Region Bayern damit gestärkt. Wenn der oftmals vorgetragene (Verbraucher) Wunsch auch obligatorischer Wille würde, wäre dies eine absolute Win-Win-Situation.