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Regierungserklärung Kaniber: Kombihaltung (nicht) vergessen!?

Am Donnerstag dieser Woche hat die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber ihre erste Regierungserklärung abgegeben. Es ging um Landwirtschaft 2030 insgesamt. Nimmt man die mediale Reaktion als Maßstab, scheint es in Bayern vornehmlich um die Tierhaltung und hier um den Ausstieg aus der ganzjährigen Anbindehaltung bei den Milchkühen zu gehen.

An der Analyse der Ministerin gibt es nichts zu deuteln: Mit 14.000 Milch erzeugenden Betrieben wirtschaften ziemlich genau die Hälfte der bayerischen Milchbauern noch in Anbindehaltung, in hohem Maße noch ganzjährig. Und dies, obwohl diese Haltungsform seit drei Jahrzehnten keine staatliche Förderung mehr erhält. Da wäre die Kritik vom Chef des Bund Naturschutzes Bayern, Richard Mergner, dringendst einem Update zu unterziehen. Er behauptete nämlich in seiner Stellungnahme im Bayerischen Fernsehen, dass in Bayern mit Steuergeldern tierschutzwidrige Ställe gefördert worden seien. Diese seien jetzt noch nicht abbezahlt und gehörten teilweise noch den Banken. Da fehlt es bei Mergner neben der Kenntnis von staatlichen Förderungsmaßnahmen und deren historischer Einordnung auch an den grundlegenden Regeln der Abschreibung. Und es wird genau zu beobachten sein, wie ums Tierwohl besorgte Verbände und Organisationen sich bei Fragen des Bau- und Umweltrechts verhalten oder ob von dieser Seite akzeptierter Tierschutz nur mit dem Ausstieg aus der Milchviehhaltung möglich sein wird.

Soll die landwirtschaftliche Nutztierhaltung und hier besonders die Milchvieh- und Rinderhaltung weiter das Rückgrat der bayerischen Landwirtschaft sein, muss in der Tat viel schneller als in der vergangenen Dekade ein Ausstieg aus der ganzjährigen Anbindehaltung erfolgen. Da kann die Politik, zumindest "mit Worten", noch so sehr auf der Seite der Land- und Milchwirtschaft stehen. Aber der Markt und hier speziell der deutsche Lebensmitteleinzelhandel schafft bereits Fakten. Und die leider auch nicht mit einer Stimme sprechenden Milcherzeuger drohen mehr und mehr zu einer Zweiklassengesellschaft zu werden. In "gute", die ihren Tieren mehr Bewegung verschaffen und in "schlechte", die dies aus einzelbetrieblich oft nachvollziehbaren Gründen (noch) nicht tun (können). Und auch bei der Bezahlung spreizen sich die Milchpreise je nach Haltungsform, stellen die Solidargemeinschaft der Milchviehhalter auf eine harte Probe. Gerade deswegen muss immer wieder bei Politik und Wirtschaft angemahnt werden, dass ganzjährige Anbindehaltung gesetzlich nicht verboten ist und dass diese über Jahrzehnte praktizierte Form der Milchviehhaltung auch nicht von heute auf morgen umgestellt werden kann. Und: Die Milch bleibt weiß, ist von höchster Qualität und auch den Tieren in ganzjähriger Anbindehaltung geht es gut!

In einem muss Frau Kaniber in ihren Ausführungen in der Regierungserklärung aber widersprochen werden: Weder in der Vorlage noch im gesprochenen Wort wurde explizit auf den ersten Schritt aus der ganzjährigen Anbindehaltung eingegangen: Nämlich in eine definierte und von allen Akteuren der Wertschöpfungskette Milch akzeptierten Form der Kombinationshaltung. Dies verwundert umso mehr, hat sie doch Mitte 2019 die Initiative der milchwirtschaftlichen Verbände Bayerns ausdrücklich unterstützt. Wer, trotz einer Aufstockung der Investitionsförderung von 30 auf 40 Prozent nur vom Umstieg aus der Anbindehaltung in die Laufstallhaltung spricht, hat einen auch emotional wichtigen Zwischenschritt vergessen: Die Kombihaltung, die den Tieren nach gegenwärtiger Diskussion an zumindest 120 Tagen mehr Bewegung verschaffen würde. Wenn Frau Kaniber, wie sie in der Regierungserklärung ausgeführt hat, auf dem Weg aus der Anbindehaltung  "möglichst keinen Betrieb verlieren möchte", muss sie in dieser Frage schnell umdenken und sich an die getroffenen Vereinbarungen erinnern. Sonst droht wirklich ein Strukturbruch ungeahnten Ausmaßes und ein Ausradieren der vielen kleinen und im Nebenerwerb wirtschaftenden Betriebe, wie es BBV-Präsident Heidl in einem Interview ausgeführt hat.

Wie wenig sich die aktiven Milchbauern auf vermeintliche politische Unterstützer aus den eigenen Reihen verlassen können und wie oft sehr "regional" gedacht wird, zeigte die Reaktion des Vorsitzenden im Agrarausschuss des Bayerischen Landtags, Dr. Leopold Herz: Man kann ihm zwar bei seiner Aussage zustimmen, dass die ganzjährige Haltung von Kühen und Rindern im Anbindestall zunehmend nicht mehr diskutabel sei. Dass er aber im gleichen Atemzug anmahnt, die Anbindehaltung mit Weidegang nicht in Frage zu stellen und dass dies ein zukunftsfähiges Konzept bleiben müsse, kann allenfalls für ausgewählte Regionen Bayerns der Maßstab sein. In Nordbayern und auch im kleinstrukturierten Bayerischen Wald dürften die betroffenen Milchbauern darüber nur den Kopf schütteln. Dort wäre man schon froh, wenn mehr Bewegung für die Milchkühe bei den betriebsspezifischen Gegebenheiten überhaupt ermöglicht werden könnten. Wer darüber hinaus bei den Bewegungsmöglichkeiten nur die Weidehaltung in den Mund nimmt, unterstützt hier die sehr romantische Vorstellung in der Gesellschaft und macht möglicherweise ein weiteres Fass zum Nachteil Bayerns auf, übrigens dann auch für die Betriebe mit Laufstallhaltung: Denn bei der Weidehaltung liegt Bayern im bundesweiten Vergleich ganz am Ende!

 

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