Die politische Entscheidung ist gefallen: Das in der gemeinsamen Marktordnung (GMO) implementierte Instrument der privaten Lagerhaltung (PLH) ist aktiviert. Die entsprechenden Verordnungstexte wurden zu Beginn der Woche, am 4. Mai 2020, im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Seit dem gestrigen 7. Mai und bis voraussichtlich 30. Juni können Anträge auf Beihilfen zur privaten Einlagerung von Butter, Magermilchpulver und Käse und damit zur schnellen und kurzfristigen Marktentlastung gestellt werden.
Über Sinn und Wirksamkeit dieses Marktordnungsinstruments gibt es höchst unterschiedliche Ansichten: Den Kritikern muss entgegengehalten werden, dass sie außer "hätte, wäre, wenn" und "der einzig wirksamen Lösung, die aber noch keine politische Mehrheit hat", wenig Vergleichbares und schnell Umsetzbares entgegenzusetzen haben. Die Befürworter wissen selbst, dass in dieser außergewöhnlichen Pandemie-Situation mit vollzogener Vollbremsung, bei wesentlichen Markt- und Absatzströmen diese Maßnahme allein keinen Erfolg zeigen wird. Vergessen wird bei so mancher kontrovers geführten Diskussion, dass privatwirtschaftlich, also zwischen den Marktakteuren, quasi alles Mögliche erlaubt ist. Dazu hat das Kartellamt den Milchbauern wettbewerbsrechtlich weitreichende Möglichkeiten eingeräumt. Das Problem: Man muss selbst etwas tun - in welchem Umfang auch immer - Unterstützer und Mehrheiten gewinnen. Da ist das Einfordern von politischen Maßnahmen, möglichst EU-weit, schon leichter! Aber was soll im Großen eine - auch von der Mehrheit der Milchbauern akzeptierte - politische Mehrheit finden können, was bei überschaubaren Marktorganisationen schon kontrovers diskutiert wird und zu keinem Ergebnis führt.
Nun also die Private Lagerhaltung - der VMB hat die wichtigsten Eckdaten zusammengefasst:
Insgesamt stehen für den Milchsektor EU-weit 30 Mio. Euro zur Verfügung
- 14 Mio. Euro für 90.000 t Butter, 6 Mio. Euro für 140.000 t Butter, 10 Mio. Euro für 100.000 t Käse
- Wenn die einzelnen Budgetgrenzen erreicht sind, will die EU-Kommission die jeweilige Beantragung von Beihilfen beenden.
- Butter: Mindestmenge/Antrag 10 t, vertragliche Lagerzeit 90 bis 180 Tage; feste Beihilfe 9,83 Euro/t, Tagesbeihilfe 0,43 Euro/t und Tag der Lagerung.
- Magermilchpulver: Mindestmenge/Antrag 10 t, vertragliche Lagerzeit 90 bis 180 Tage; die feste Beihilfe liegt bei 5,11 Euro/t, Tagesbeihilfe 0,13 Euro/t und Tag der Lagerung.
- Käse: Mindestmenge/Antrag 0,5 t, vertragliche Laufzeit 60 bis 180 Tage; feste Beihilfe 15,57 Euro/t, Tagesbeihilfe 0,40 Euro/t und Tag der Lagerung.
Im Gegensatz zu Butter und Magermilchpulver gibt es bei den 100.000 t Käse national zugeteilte Mengen:
- Deutschland erhält 21.726 t, Frankreich 18.394 t und Italien 12.654 t. Die restlichen 47.226 t verteilen sich auf die übrigen Mitgliedsländer.
- Hintergrund dieser Zuteilung ist, dass sich Italien bei einer der letzten Aktionen "sehr einfallsreich" und "unbürokratisch" gezeigt hat.
- Im Gegensatz zu den Standardprodukten Butter und Magermilchpulver gelten für Käse besondere Vorgaben, bezüglich der Käsesorten und den Einschränkungen bezüglich Reifezeit.
Welche Mengen könnten mit dieser Maßnahme vorübergehend vom Markt genommen werden?
- Für die Erzeugung von 1 kg Butter werden ca. 18 Liter Mich, für die Erzeugung von 1 kg Käse ca. 10 Liter Milch und für die Erzeugung von 1 kg Magermilchpulver ca. 7 Liter Milch benötigt.
- Bezogen auf die maximal Beihilfe geförderten Mengen würden das für 140.000 t Butter 2,52 Mio. t Milch, für 100.000 t Käse 1,0 Mio. t Milch und für 90.000 t Magermilchpulver 0,63 Mio. t Milch, also "Rohstoffeinsatz" bedeuten.
- Aufsummiert ergäben sich bei voller Ausschöpfung der Beträge und Mengen EU-weit eine Milchmenge von 4,15 Mio. t in Form von Butter, Magermilchpulver und Käse.
- Auf der Basis des Jahres 2018 (156 Mio. t) dürften aktuell in der EU etwa 160 Mio. t Milch erzeugt werden, wobei hier die Milchmenge des aus der EU-scheidenden Vereinigten Königreichs noch inkludiert ist.
Ergebnis:
Durch die Maßnahme der Beihilfe zur Privaten Lagerhaltung würden etwa 2,6 Prozent der EU-Jahresmilchmenge bzw. etwa 15 Prozent, bezogen auf die beiden Antragsmonate, temporär dem Markt entzogen.