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Milchpreise: Durchbruch nur eine Frage der Zeit!

Auch altgediente Recken in der Milchwirtschaft haben eine solche Situation noch nicht erlebt: Quasi im Wochentakt wird von historisch einmaligen Höchstständen am Milchmarkt berichtet. Trotzdem kommt bei den Milcherzeugern keine rechte Freude auf. Beim Blick auf die bekannten Milchmarktindikatoren, beim Vergleich von Milchpreisen in anderen Bundesländern mit dem eigenen Milchpreis machen sich zunehmend Ärger und Ungeduld breit: Verständlich einerseits, wenn man die geradezu explodierenden Kosten in der Milcherzeugung betrachtet. Unberechtigt anderseits, wenn man die Grundzusammenhänge am Milchmarkt und die Verwertung der eigenen Molkerei kennt – oder ansatzweise kennen würde. Eine einfache Erklärung für die aktuelle, sicherlich extreme Situation, in Anlehnung an den legendären Ausspruch eines langjährigen Münchner Fußballfunktionärs: „Der Nikolaus war noch nie der Osterhase“. Dem sei angefügt: Ostern wird sicher kommen. Soll heißen: Die Milchpreise werden vorhersehbar noch massiv ansteigen. Nur das Ausmaß der Bescherung ist noch offen, und: Der „Osterhase“ wird nicht bei allen Milchbauern zur gleichen Zeit und mit der gleichen Anzahl Eiern ankommen!
Als der VMB in einem Interview im März 2021 mit Blick auf vergleichbare Markttendenzen wie 2007 und 2013 in den Raum gestellt hat, dass im Herbst 40 Cent Milchpreis möglich seien, waren die ersten Signale bereits deutlich erkennbar. Praktiker wissen: Eine festgestellte Trächtigkeit ist noch lange kein gesundes Kalb. Und so dauert es auch beim Milchpreis, bis erste Marktsignale in einem sehr komplexen Marktumfeld, weit mehr als nur von Angebot und Nachfrage beeinflusst, im Portemonnaie ankommen. Der Versuch einer Analyse der aktuellen Situation beginnt deshalb mit der „Anmerkung der Redaktion“ im wöchentlichen Marktbericht der Süddeutschen Butter- und Käsebörse: „Die Preise und Notierungen der Kemptener Börse geben eine gute Marktorientierung, lassen aber keine direkten Rückschlüsse auf die Auszahlungspreise einzelner Molkereien zu“! Und so ist es auch bei den anderen bekannten Marktindikatoren, die für die Markteinschätzung herangezogen werden: Sie sind keine Milchpreise. Derzeit scheinen Milchmarkt und Milchpreise daher eher mit Theorie und Praxis vergleichbar zu sein, weil Angebot und Nachfrage gerade vom deutschen Lebensmitteleinzelhandel (LEH) noch weitgehend außer Kraft gesetzt werden soll, trotz erster Preiserhöhungen auch für Milcherzeugnisse. Der LEH stemmt sich mit all seiner vorhandenen Marktmacht gegen marktkonforme Preiserhöhungen auch im Milchregal. Noch, sei angefügt! Die Strömung ist so stark, dass auch der Handel wohl (etwas) „nass gemacht wird“, will er weiter wie bisher beliefert werden.
Die unterschiedliche Entwicklung der Milchpreise soll mit einem kurzen Rückblick beginnen: Anfang März hat die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) die amtlichen Endpreise für 2021 bei konventioneller und ökologisch/biologisch erzeugter Milch veröffentlicht: Für die konventionelle Milch hatten sich die Milchpreise zum Vorjahr um 3,43 Cent/kg auf 36,27 Cent verbessert. Die Biomilchpreise überschritten erstmalig die Grenze von 50 Cent netto, erreichten 50,25 Cent/kg, in Bayern 50,51 Cent, jeweils auf der Basis von 4,0 (!) Prozent Fett. Zur Einschätzung der aktuellen Situation sei besonders auf die Unterschiede bei der konventionell erzeugten Milch  hingewiesen: Bayern lag 2021 an der Spitze des Rankings, erreichte im Schnitt 37,21 Cent. Schleswig-Holstein war wegen der beginnenden Preisrallye Ende des Jahres 2021 mit 36,28 Cent fast exakt auf dem Durchschnittsniveau. 2020 lagen zwischen dem an zweiter Stelle rangierenden Bayern mit 34,35 Cent und dem abgeschlagenen Schlusslicht im hohen Norden mit 31,08 Cent 3,27 Cent Differenz.
Aktuell würden viele bayerischen Milchbauern gerne ihren Betrieb nach Schleswig-Holstein „aussiedeln“! Dort wird von den „Meiereien“ sehr viel Industrieware und für den Export produziert, nur eine Molkerei hat wirklich nennenswerte Mengen im Lebensmitteleinzelhandel platziert. Deswegen können dort die Marktkräfte sich sehr viel schneller in bare Münze in Form höherer Milchpreise umsetzen lassen. Umgekehrt aber auch, wenn der Markt mal wider kippen sollte!
So lag der durchschnittliche Milchpreis für Februar 2022 in Bayern bei (nur) 43,2 Cent netto, wohingegen in Schleswig-Holstein im Durchschnitt bereits die Marke von 45 Cent überschritten wurde. Einige Molkereien lagen bereits bei 47 Cent (Basis 4,2 Prozent Fett). So kommen den kommenden Kontraktverhandlungen zwischen Molkereien und dem Lebensmitteleinzelhandel immense Bedeutung zu. Im Standardsegment „gelbe Linie“, vor allem bei Schnittkäse hat es vergangene Woche erste Preisanpassungen gegeben. Beim weißen Sortiment, beginnend mit dem Leitprodukt Konsummilch, wird es einige Monate dauern, sofern die Kontrakte nicht doch noch aufgrund von „Force Majeur“, also höherer Gewalt geöffnet werden. Und wie sehr „Verwertungen“ und somit die Milchpreise spreizen, wird an der Auszahlung renommierter Molkereien wie Hochwald oder Arla deutlich, die als starker Hersteller von Konsummilch derzeit deutlich im Hintertreffen liegen. Auch Markenartikler wie die genossenschaftliche Molkerei Berchtesgadener Land kann ihre starke Marke derzeit nicht wie bisher in entsprechende Anhebungen umsetzen. Gerade bei der Nennung einer genossenschaftlich geführten Molkerei wie den Pidingern sei angemerkt, dass sich die Kostenexplosion nahezu gleichermaßen in der Verarbeitung niederschlägt und ebenfalls irgendwo eingepreist werden muss. Eine weitere Empfehlung sei Milcherzeugern  bei der Bewertung ihrer eigenen Molkerei zu machen, gerade mit Blick auf fast schon inflationäre Zunahme von Milchpreisdifferenzierungen über den Grundpreis hinaus: Lieber die eigene Milchgeldabrechnung genau(er) lesen als die monatlichen und nur bedingt aussagekräftigen  Wasserstandsmeldungen in den einschlägigen Fachmagazinen oder online-Diensten.
Aktuell können die Milchpreise mit den Milchmarktindikatoren noch nicht mithalten, sind nur etwa 25 Prozent höher als im Vorjahr. Doch die Milchpreise werden auch in Bayern noch massiv  ansteigen. Die globale Nachfrage ist trotz dieser Preissprünge  ungebrochen groß, bei einem gleichzeitig recht knappen Angebot. Weltweit sorgen Witterungseinflüsse und gestiegene Kosten für Dünger, Futtermittel und Energie weiter dafür, dass weniger Milch erzeugt wird. Und national führen zusätzliche Anforderungen rund um die Rinderhaltung für rückläufige Milchmengen. Sorgen bereiten nach wie vor die nicht kalkulierbaren hohen Energie- und Futtermittelpreise, die die ohnehin sehr energie- und kostenintensive Erzeugung und Verarbeitung der Milch erschweren – und jetzt durch den schon fast 6 Wochen andauernden Krieg in der Ukraine noch verschärft werden. Deswegen ist es mehr als paradox: Die 50 Cent Milchpreis sind keine Utopie, die Marke ist sogar in Bayern bereits gefallen. Die Freude auf die „demnächst im (Früh)Sommer“ fallende Grenze von durchschnittlich 50 Cent Milchpreis mit weiter Luft nach oben ist nur begrenzt. Historische Milchpreise - und kaum (Vor) Freude!.

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