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Entwurf Tierschutzgesetz: Droht Verbot Anbindehaltung bereits 2029?

In dieser Woche ist der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) zu Änderungen im deutschen Tierschutzgesetz durchgesickert. Keine Überraschung, war dieser längst angekündigt und sind doch auch einige die Rinderhalter massiv betreffenden Vorgaben im Koalitionsvertrag der aktuellen Ampel-Koalition verankert. Für viele Rinderhalter droht dabei das Aus für das bisherige, in Bayern noch weit verbreitete Haltungssystem Anbindehaltung, für das Rinderland Bayern stünden Einschnitte historischen Ausmaßes an!

Vor allem die Überlegungen zur Haltungsform und zur Anbindehaltung sind vernichtend! Auf diese Vorschläge wollen wir uns bei einer ersten Bewertung beschränken, obwohl auch die mögliche Pflicht zur Betäubung beim Veröden der Hornanlagen und auch beim Kastrieren von Rindern im Auge behalten werden muss.

Zum Thema "Anbindehaltung" steht unmissverständlich im Entwurf die Aussage: Die Möglichkeit, Tiere grundsätzlich mittels Anbindung oder anderweitigen Fixierens zu halten, wird durch § 3a beendet"!

Es bestehen aber Ausnahmen, die aber wirklich Ausnahmen und Einzelfalllösungen sind, auf jeden Fall massive Einschnitte in den Status quo nach sich ziehen würden.

§ 3a

Ein Tier darf nur angebunden oder anderweitig fixiert gehalten werden, wenn 

  1. die Anbindung oder Fixierung nach tierärztlicher Indikation im Rahmen einer tierärztlichen Behandlung im Einzelfall erforderlich ist,
  2. die Haltung den Anforderungen des § 2 und den in einer auf Grund des § 2a Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 erlassenen Rechtsverordnung festgelegten Anforderungen entspricht,
  3. die Anbindung oder Fixierung auf Grund tiergesundheitsrechtlicher Vorgaben im Einzelfall erforderlich ist,
  4. das Tier als Vor- oder Nachbereitung der Tätigkeiten, für die das Tier ausgebildet wurde oder wird, während des hierfür erforderlichen Zeitraums angebunden oder anderweitig fixiert gehalten wird, soweit dies im Einzelfall zwingend erforderlich ist und die Vorrichtungen zum Anbinden oder zum anderweitigen Fixieren keine Schmerzen oder Schäden verursachen, oder 
  5. im Falle von über sechs Monate alten Rindern in landwirtschaftlichen Betrieben mit höchstens 50 Tieren,
  • a)    es nicht möglich ist, die Rinder in Gruppen zu halten, deren Größe ihren Verhaltensbedürfnissen gerecht wird, sofern die Tiere während der Weidezeit Zugang zu Weideland und mindestens zweimal in der Woche Zugang zu Freigelände haben, wenn das Weiden nicht möglich ist, und
  • b)    die Anbindehaltung in der jeweiligen Haltungseinrichtung durch den jeweiligen Betriebsinhaber bereits vor dem … [einsetzen: Datum des Inkrafttretens dieses Gesetzes] betrieben wurde.

So ist laut Ziffer 5a die zeitweise Anbindehaltung noch möglich - für Rinder über 6 Monaten in Beständen mit 50 oder weniger Rindern (nicht Kühen!), bei Zugang zur Weide (während der Weidezeit) und bei mindestens zweimal wöchentlichem Zugang zum Freigelände außerhalb der Weidezeit.

50 oder weniger Rinder würde also Bestandsgrößen mit 20 bis 25 Kühen und der gesamten weiblichen Nachzucht bedeuten, die je nach betrieblicher Selektionsintensität und Remontierung, Erstkalbealter bei der Kuhzahl etwas abweichen kann. Dabei sind ganzjährige Anbindehalter und auch Kombihalter mit 35, 50 oder noch mehr Kühen in Bayern gar nicht so selten

Während sich größere Betriebe mit Anbindehaltung unbedingt mit einer Investition (oder auch nicht!) beschäftigen sollten, droht mit diesem Entwurf faktisch für einen Großteil der typischen bayerischen Kombihaltungsbetriebe mit plus/minus 25 Milchkühen das Aus. Denn auch dort müssten die Tiere auch an den Tagen, an denen das Weiden nicht möglich ist, also bei schlechter und nicht tierwohlgerechter Witterung, aber eben auch in den Wintermonaten, zweimal in der Woche Zugang zu einem Freigelände angeboten werden. Die Hürden, vom Baurecht bis zum Nachbarn, sind hinlänglich bekannt. 

Wenn dieser Gesetzentwurf also unverändert in dieser vorliegenden Fassung Ende 2023 verabschiedet werden würde, würde - nach § 21 im Entwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes - mit einer Übergangsfrist von 5 Jahren (also von Anfang 2024 bis Ende 2028) ab 2029 die ganzjährige Anbindehaltung in Deutschland gesetzlich verboten sein. Im Koalitionsvertrag war übrigens noch von einer Übergangsfrist von 10 Jahren bis zum Auslaufen der Anbindehaltung die Rede.

Und wer die Hürde von Ziffer 5a) geschafft hat, droht früher oder später an Ziffer 5b zu scheitern, denn die Anbindehaltung (mit den unter Ziffer 5a dargestellten Ausnahmen) muss in der jeweiligen Haltungseinrichtung durch den jeweiligen Betriebsinhaber bereits vor dem Inkrafttretens dieses Gesetzes betrieben worden sein.

Das heißt, dass der Betriebsinhaber die Anbindehaltung bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes betrieben haben muss. Bei einer Betriebsübergabe würde der Betriebsnachfolger, trotz dann unverändertem Tierbestand "weniger als 50 Rinder" nicht mehr in den Genuss der Ausnahmeregelung kommen. Wer also bis zur Verabschiedung des geänderten Tierschutzgesetzes seinen Betrieb nicht übergeben kann und will, müsste dann als Betriebsleiter so alt werden wie Queen Elizabeth und die Betriebsnachfolger würden das Schicksal vom heutigen König Charles ereilen, nur um weiter in den Genuss von Ausnahmegenehmigungen für die Anbindehaltung zu kommen. Das kann aber kein realistisches Ziel sein, um weiter einen Teil der Bayern prägenden kleineren Betriebsstrukturen konservieren zu können!

Alles in allem ein Frontalangriff auf Bayern und den süddeutschen Raum mit seinen kleinen Strukturen. Jetzt gilt es für die politischen Verbände auszuloten, welche realistischen Möglichkeiten zur Abmilderung des Entwurfes überhaupt noch gegeben sind. Jede Partei will in den bekannt unverbindlichen Reden der bäuerlichen Landwirtschaft Gutes tun. Welche Farbe letztendlich bei der Änderung des Tierschutzgesetzes aufleuchtet - oder mehr aufleuchtet, kann aus der bisherigen Arbeit der Ampel-Koalition nicht vorhergesagt werden. In Bayern gilt es vor allem die Zeit bis zur Landtagswahl am 8. Oktober intensiv zu nutzen und die politischen Entscheider verbindlich festzunageln - damit sie wirklich wissen, was sie entscheiden!

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