Als Bahnfahrer muss man nicht wirklich von der Deutschen Bahn vollends überzeugt sein. Verlässlichkeit, Pünktlichkeit und somit sind Nachhaltigkeit im weitesten Sinne nicht unbedingt Attribute, die man mit der Deutschen Bahn zuvorderst in Verbindung bringt. Aber von einem erst einmal erarbeiteten Image, gleich in welcher Richtung, muss man sich erst einmal wieder wegarbeiten können. Und dabei werden doch in Zeiten des Klimaschutzes so große Hoffnungen in die Bahn gesetzt, will man doch bis 2045 klimaneutral werden. Kaum zu glauben auch, wie viele Dieselloks mit nicht einmal vorhandenem Rußpartikelfiltern auf deutschen Schienen noch dahindampfen, wo doch zeitgleich dem Dieselauto öffentlich wahrnehmbar das Image des Umweltverpesters anhaftet.
Auch in Sachen Pünktlichkeit haftet der Bahn ein wenig schmeichelhaftes Image an. Auf der vergleichsweise einfachen Strecke von München nach Lindau hätten die Züge seit 1985 elektrisch fahren sollen. Der erste E-Zug fuhr im Dezember 2020. Und die Einhaltung der Fahrpläne ist eine Philosophie für sich. Jetzt hat aber die deutsche Bahn zum großen Überholmanöver ausgeholt: Denn schnell und sogar überpünktlich hat das Unternehmen zum Start in das neue Jahr in allen ICE- und IC-Zügen Haferdrink als (wörtlich!) Milchalternative zum Kaffee im Angebot. Mit dieser "rein pflanzlichen Milchalternative für den Kaffeegenuss" setzt die Deutsche Bahn eigenen Angaben zufolge einen weiteren Meilenstein für mehr Nachhaltigkeit in der Bordgastronomie. Dabei geht die deutsche Bahn eine umfassende Zusammenarbeit mit Oatly ein, dem größten und auch börsennotierten Hersteller von Haferdrink der Welt. Oatly geht hier mehr als eigennützig vor, denn man will eigenen Angaben zufolge ein nachhaltiges Nahrungsmittelsystem vorantreiben, das eben nicht nur für die menschliche Gesundheit, sondern auch für das Klima essentiell sein soll. Um dies zu erreichen, müsse der Umstieg auf eine mehr pflanzliche Ernährung möglichst einfach gemacht werden, indem schmackhafte pflanzliche Produkte für möglichst viele Konsumenten verfügbar gemacht werden. Oatly hat nach dem Coup mit der "schnellen" Bahn bereits eine große PR-Kampagne gestartet, dass auch andere Unternehmen dem Beispiel Bahn folgen sollen.
Und wo bleibt die Milch in diesem Geschehen. Natürlich wird Milch weiterhin bei der Deutschen Bahn angeboten. Nicht als Alternative, sondern als Original und somit "animal based". Die Milchwirtschaft müsste aber aus ihrer Defensive herauskommen und ihrerseits die unbestrittenen Vorteile der Milch für Ernährung und auch für das Kreislaufsystem herausstellen. Verstecken braucht sich die Milchwirtschaft nämlich nicht, nur sollte sie sicht- und hörbarer werden!