Gut gemeint, aber für den Bereich Lebensmittel und somit für die landwirtschaftliche Urproduktion wohl ein Schuss, der vollends nach hinten losgegangen ist. Dieses Fazit darf wohl heute schon gezogen werden, nachdem seit knapp 4 Wochen mit dem Instrument "befristete Reduzierung der Mehrwertsteuer" mehr oder weniger Politik gemacht wird. Dabei war das politische Ziel der Bundesregierung wohl gemeint und gut gedacht. Mit der, bis 31. Dezember diesen Jahres befristeten Reduzierung der Mehrsteuersätze um 3 auf 16 Prozent bzw. - beim ermäßigten Satz, der auch für den größten Teil der Lebensmittel gilt - um 2 auf 5 Prozent, sollte der Konsum und somit die Corona-gebeutelte Wirtschaft angekurbelt werden. Ergebnis ist allerdings, dass zwischen den Größen des deutschen Lebensmitteleinzelhandels ein noch nie dagewesener Preiskampf angeheizt wurde. Dabei geht es bei den eh schon sehr preisgünstigen Lebensmitteln meist nur um wenige Cent, also um "des berühmten Kaisers Bart". Aber die Abläufe erinnern fast an bekannte Szenen im Kindergarten bei der Frage, "wer den größeren Bruder hat". Beim Lebensmitteleinzelhandel geht es aber um die Kardinalfrage: "Wer ist der Erfinder von billig" oder "Wer kann noch billiger?"
Am Beispiel der Strategie der beiden Großdiscount-Kampfhähne Aldi und Lidl sollen diese für die Landwirtschaft höchst bedenklichen Geschäftsgebaren aufgezeigt werden: Lidl preschte bekanntlich mit einer "WUMMS-Aktion" bereits am 22. Juni vor: Alle Artikel im Sortiment wurden - bei Lebensmitteln um 2 Prozent - im Preis reduziert. Jedes dann tiefrot gestaltete Preisschild wurde manuell angepasst. Und Lidl musste natürlich, da die Mehrwertsteuer erst zum 1. Juli reduziert wurde, diese Preisrücknahmen aus der eigenen Werbetasche bezahlen. Dass sich Aldi das nicht gefallen lassen würde, wurde knapp eine Woche später überdeutlich: Mit Wirkung vom 27. Juni senkte Aldi ebenfalls vorab die Preise. Allerdings nicht um 2 Prozent, sondern setzte noch einen drauf: Absenkung um 3 Prozent. Und Aldi sparte sich die kostenintensive Umwidmung der Preisschilder: Abzug von 3 Prozent automatisch an der Kasse.
Und Aldi legte noch eine Schippe Provokation drauf: In allen Tageszeitungen wurden auf der Basis von durch Aldi am 29. Juni durchgeführten Einkäufe Warenkörbe mit Lebensmitteln im Wert von etwa 100 Euro verglichen. Und siehe da: Der Warenkorb von Aldi, der sich in dieser Anzeigenkampagne als "Der Erfinder von günstig ist Preissieger" darstellte, war gegenüber dem aus Produkten von Lidl zusammengestellten Warenkorb um 5,55 Euro günstiger. Das wiederum rief Konkurrent Lidl auf den Plan: Dieser füllte seinerseits einen Warenkorb im Wert von etwa 100 Euro und siehe da: Sein Warenkorb war um bis zu 11,07 Euro günstiger als die Testkäufe bei Aldi Süd und Nord. Und: Lidl gab sich seinerseits die Auslobung "Der Erfinder von bester Qualität und günstig hat die besseren Preise". Und damit nicht genug: Seit dieser Woche hat auch Lidl nochmals nachgelegt: Statt der reduzierten Mehrwertsteuer von 2 Prozent werden ab sofort ebenfalls bei Produkten mit dem ermäßigten Satz wie bei Aldi 3 Prozent Preisnachlass gewährt.
Leider werden - wie seitens des VMB schon mehrmals dargelegt - die Milchprodukte besonders stark in diesen Preiskampf hineingezogen. So hatte Lidl bei der ersten Preissenkung am 22. Juni den Liter Vollmilch vom aktuellen Einstandspreis (EVP) für die Eigenmarke Milbona nur um einen Cent reduziert, von 79 auf 78 Cent. Nach dem Nachschlag von Aldi, die Preisreduzierung auf 3 Prozent zu erhöhen, sanken die Regalpreise auf 77 Cent. Und nachdem einige der Wettbewerber auf die glorreiche Idee kamen, die Preise doch zugunsten des Verbrauchers gleich abzurunden, stehen jetzt die Vollmilch mit nur noch 76 Cent und die fettarme Milch mit nur noch 68 Cent in den Regalen.
Viel heftiger scheint der Preiskampf - Stand heutiger Freitag - allerdings noch bei Deutscher Markenbutter geführt zu werden: Da spielt es gar keine Rolle mehr, dass in dieser Woche die MEGGLE-Butter bei Netto Marken-Discount für 1,26 Euro/250 g und bei Kaufland für nur 1,09 Euro/250 g angeboten wird. Das sind leider Wochenangebote, an die man sich fast schon gewöhnen musste. Viel folgenreicher ist die Entwicklung der Preise bei den Eigenmarken: Ende Juni wurden dort - noch auf dem Niveau des alten Kontraktes zwischen Molkereien und Lebensmitteleinzelhandel - die Regalpreise von 1,39 auf 1,36 Euro/250 g angepasst, Allerdings nur für wenige Tage, denn in den ersten Juli-Tagen trat die Preiserhöhung in Kraft: 20 Cent/kg Markenbutter war die neue Marke, die dazu führte, dass der Verkaufspreis - ohne die Mehrwertsteuerreduzierung - auf 1,45 Euro/250 g angehoben wurde. So liegt der Ziegel Butter auch aktuell noch bei Aldi Süd im Regal. An der Kasse werden 3 Prozent abgezogen, ergeben einen effektiven Kaufpreis von aufgerundeten 1,41 Euro/250 g. Die Wettbewerber der Edeka- und Rewe-Gruppe haben aber bereits Nägel mit Köpfen gemacht und verkaufen die Butter seit einigen Tagen für nur 1,40 Euro/250 g. Und was macht Lidl? Hat die Preiserhöhung bei Butter anscheinend überhaupt nicht mitgemacht, das 250 g Stück war am 17. Juli 2020 ganz regulär für nur 1,34 Euro/250 g zu erwerben. Die nächste Runde im (v)erbitterten Preiskampf der Großen des deutschen Lebensmitteleinzelhandels auf dem Rücken der Landwirt- und Milchwirtschaft droht bereits eingeläutet zu sein. Muss das bis Ende des Jahres wirklich so ungestraft weitergehen?