In den vergangenen Wochen hat der VMB in den Fachmedien verhältnismäßig exklusiv über die vom Discounter Aldi initiierte Verschiebung der Kontraktlaufzeit für die Produktgruppe der „weißen Linie“ berichtet. Der Aufschub um zwei Monate, der Beginn der Kontrakte mehrheitlich erst jetzt im Juli mit Laufzeit bis zum Jahresende hat einem großen Teil der Milchbauern Milchgeld vorenthalten, bei dramatisch steigenden Kosten. Und jetzt gibt es neue und exklusive Überlegungen aus der internationalen Einkaufszentrale von Aldi in Salzburg zu künftigen Kontraktlaufzeiten speziell für Konsummilch. Die Milchbauern sollten gewarnt sein.
Dem Vernehmen nach sollen bei Konsummilch ab kommendem Jahr die Kontrakte zwischen Molkereien und dem Lebensmitteleinzelhandel (LEH) nämlich auf Mehrjahresverträge umgestellt werden. Bis 2008 waren Einjahresverträge im Sortiment „weiße Linie“, zu dem auch die Konsummilch zählt, die Regel. Dann wurden die Laufzeiten auf sechs Monate verkürzt. Mehrjährige Verträge sind auf internationaler Ebene, auch in EU-Nachbarländern gar nicht einmal selten. Doch wie der VMB schon mehrmals berichtet hat: So umkämpft, so stark medial begleitet, zum Politikum werdend und mit vergleichsweisen kleinen Margen für alle Akteure endend wie in Deutschland wird nirgends anders über die Konsummilch verhandelt. Wo sonst kann sich der Verbraucher das Lebensmittel Vollmilch wie derzeit für nur 79 Cent pro Liter kaufen?
Wie dieser Vorstoß von Aldi ausgeht und ob möglicherweise dann andere Lebensmittelhändler nachziehen, kann noch niemand vorhersagen. Dabei wird es entscheidend darauf ankommen, ob die auch in Deutschland ansässigen Konzerne wie Arla oder FrieslandCampina auf dieses Ansinnen eingehen (müssen). Diese beiden Unternehmen geben bei der Konsummilch, neben den genossenschaftlich organisierten Betrieben Ammerland, Deutsches Milchkontor und Hochwald sowie der zur Müllergruppe zählenden Sachsenmilch die Preisrichtung vor. Die zahlreichen mittelständischen Molkereiunternehmen aus Baden-Württemberg und Bayern, aber auch aus dem benachbarten Österreich, die ebenfalls Konsummilch für die hiesigen Discounter und Supermärkte abfüllen, werden hier nur eine Beobachterrolle einnehmen können.
Die in dieser Frage nicht direkt eingebundenen Milchbauern sollten sich aber schon eine einheitliche Position bilden. Denn in jüngster Vergangenheit haben sich zahlreiche Gesprächsforen mit allen Akteuren der Wertschöpfungskette Milch gebildet, bei denen auch die Erzeugerseite eingebunden ist. Aber auch bei den Milchbauern gibt es in Vertragsfragen höchst unterschiedliche Ansätze. Es waren die Erzeuger selbst, auf deren Druck die Laufzeiten zwischen Molkereien und LEH verkürzt wurden. Begründung: Die volatilen Märkte müssen sich auch in kürzeren Verträgen wiederfinden und schnell milchpreiswirksam werden. Andererseits ist zu beobachten, dass vor allem Milcherzeugergemeinschaften (MEG´s) in den vergangenen Jahren in hohem Maße dazu übergegangen sind, sich mit Verträgen über fünf Jahren mit Molkereien dem selbst geforderten Wettbewerb um den Rohstoff Milch mittelfristig zu entziehen – zwecks besserer eigener Planbarkeit und Sicherheit.
Und nun zu ersten Reaktionen aus der Molkereibranche. Die längerfristig zugesicherte Abnahme der Konsummilch mit Verträgen über beispielsweise drei Jahre würde natürlich deren Planungssicherheit und Kalkulation verbessern. Aber auch die andere Seite der Medaille, nämlich die Verbindlichkeit einer eingegangenen Lieferverpflichtung mit dem LEH und das Risiko von Vertragsverletzungssanktionen muss abgewogen werden. Vor allem stellt sich die Frage, wie es dann bei weiter mehr oder weniger volatilen Märkten funktionieren soll, dass auch positive Marktsignale in Form höherer Milchpreise beim Milchbauern ankommen? Dazu gibt es bereits Überlegungen, dass in die Kontrakte variable Indikatoren für regelmäßige Anpassungen eingebaut werden sollen. Denn entscheidender „Kostenfaktor“ bei Konsummilch ist der auszuzahlende Milchpreis. Ob der bereits ins Spiel gebrachte und in der Branche bekannte Kieler Rohstoffwert dazu geeignet sein könnte, wird vom VMB angezweifelt. Denn dessen Entwicklung wird von der Verwertung der Milch über Butter und Magermilchpulver bestimmt. Eine indirekte negative Beeinflussung der Konsummilchpreise kann nicht ausgeschlossen werden! Die größte Sorge ist aber, dass vor einer Anpassung der Verträge die Molkereien dem LEH tiefe Einblicke in interne Zahlen gewähren müssen – die Vorstufe zu einer weiteren Vertikalisierung zugunsten des LEH. Denn dass letzterer als Wohltäter des nachgelagerten Bereichs auftritt: Dieser Beweis muss erst noch angetreten werden!