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60 Cent - und jetzt?

Die Milchauszahlungspreise haben im vergangenen Jahr einen ungeahnten und nur zum Teil erklärbaren Höhenflug angetreten. Es war allein der "Markt" und sein völlig unkalkulierbares Umfeld. Keine politische oder wettbewerbsrechtliche Maßnahme und erst recht nicht irgendwelche Lobbyisten mit penetrant vorgetragenen "alternativlosen" und "einzigen" Lösungsansätzen können sich mit diesen Federn schmücken. Es waren vor allem die explosionsartig angestiegenen Kosten in Verbindung mit einer weltweit moderaten Milcherzeugung, garniert mit einer scharfen Prise Verunsicherung, die durch lange nicht bekannte Probleme in der Lieferkette auch zu manch spekulativen und somit marktunlogischen Reaktionen geführt haben. Die Milchpreiswelle rollte diesmal - erklärbar aus den Verwertungs- und Absatzmöglichkeiten - von Norden nach Süden. Auch in Bayern wurde im November und Dezember die historische Marke von 60 Cent/l netto für konventionell erzeugte Milch (oGT) geknackt. So weit so gut und sehr erfreulich. Aber wie geht es jetzt weiter?
Dass nach einem Aufstieg auch wieder eine preisliche Gegenbewegung kommen würde, sollte in einer Marktwirtschaft niemanden wirklich überraschen. Märkte reagieren nun einmal "volatil", wenn die Politik sich mehr und mehr aus der Marktverantwortung zurückzieht und die Marktkräfte ihren Einfluss entfalten. Und so war und ist es auch nicht überraschend, dass seit einigen Monaten eine Gegenbewegung am Milchmarkt eingesetzt hat, leicht erkennbar an den bekannten Marktindikatoren. Höhere Marktpreise geben einzelbetrieblich immer einen Anreiz zur Mehrproduktion, zur individuellen Optimierung, allen Folgen am Gesamtmarkt zum Trotz. Seit Ende September haben sich mehrere Indikatoren zu einem negativen Gebräu entwickelt, dessen Resultat derzeit noch nicht vollumfänglich abzusehen ist: Steigende Milchanlieferung, eine nachlassende Nachfrage, jeweils nicht nur hierzulande, sondern auch global, und nicht zuletzt die bekannte Absatzdelle um die Jahreswende. Und nicht neu ist auch, dass bei sinkenden Preisen die Kaufzurückhaltung noch etwas ausgeprägter ist, um den (für die Käuferseite) optimalen Zeitpunkt abzuwarten. 
Vor allem auf die bayerischen Milchpreise hat sich die deutliche Markteintrübung noch nicht ausgewirkt, im Gegenteil. Das liegt an dem im Durchschnitt anderen Verwertungs-Portfolio und auch an den Laufzeiten von Kontrakten, sei es mit dem Lebensmitteleinzelhandel oder auch mit der Industrie. Von daher ist unsere VMB-Einschätzung, dass im Süden für das erste Quartal 2023 die Milchauszahlungspreise vor allem durch bestehende Kontrakte für Käse und die weiße Linie noch recht gut abgesichert sind, weiterhin zu unterstreichen. Und: Einen Preisabsturz bis Ostern wird es wohl nicht geben. Oder, ein weiteres VMB-Zitat aus der Fachpresse; "Im 1. Quartal besteht bei der Durchschnittsmolkerei mit breiten Absatzkanälen keine Notwendigkeit einer deutlichen Preiskorrektur". Soweit die bisherigen VMB-Prognose bis Ostern. Das fällt in diesem Jahr übrigens auf Anfang April, wenn die Milchgelder für März 2023 ausbezahlt werden. Prognosen darüber hinaus oder der Blick in die (trübe) Glaskugel ohne wirklich belastbares Fundament sind schlichtweg unseriös.
Was ist aber nun "kein Milchpreisabsturz" oder "keine Notwendigkeit einer deutlichen Preiskorrektur"? Da gilt es schon nochmal in Erinnerung zu rufen, dass zwischen der durchschnittlichen Auszahlung Bayern im Dezember 2021 mit 40,7 ct/kg und im Dezember 2022 mit 60,1 ct/kg eine Spanne von nahezu 20 ct/kg liegt. Eine Anpassung des zuletzt erreichten durchschnittlichen Milchpreisniveaus wird es auch in Bayern geben. Darin besteht wohl kein Zweifel. Wenn in den kommenden Tagen eine süddeutsche Molkerei den Auszahlungspreis um satte 15 Cent zurückfahren muss, ist das sicher heftig. Aber das ist weder der Durchschnitt noch eine repräsentative Molkerei! Für Bayern wird es beim durchschnittlichen Milchpreis wohl nur moderate Rückgänge geben. Angesichts mancher stärkerer Milchpreisanpassungen in Deutschland ist aber anzunehmen, dass sich gerade Milcherzeuger von ihren Kühen trennen werden, die den recht guten Milchpreis bei vorhandener Futtergrundlage einfach noch "mitgenommen" haben. Ob das für eine Marktreaktion bereits reicht?
Auch wenn es vielleicht noch ein recht früher Frühindikator ist: Aber vor kurzem zeigten die Börsenmilchwerte erstmals seit Ende September 2022 wieder ein erfreulicheres Erscheinungsbild, der jüngste GDT Tender war ebenfalls positiv. Eine kleine Reaktion bei den Marktindikatoren Richtung "grünen Bereich" könnte das immer noch zurückhaltende Kaufverhalten für Blockbutter und auch für Pulver dynamischer gestalten, um nicht zu sagen ,positiv hektischer werden lassen. Dieses Signal muss aber wohl in diesem Fall von der Milchmenge kommen, die Nachfrage liegt in deutlich mehr anderen Händen. Und Gefahr droht derzeit wieder einmal Lebensmitteleinzelhandel. Während die Molkereien im Frühjahr trotz massiv gestiegener Kosten in der Wertschöpfungskette Milch von einer Öffnung der Kontrakte abgesehen haben, möchte der LEH die Gunst eines augenblicklich recht schwachen Marktumfeldes für sich nutzen und nachverhandeln. Wie erfolgreich der Widerstand aller Milchverarbeiter gegen das brachiale Ansinnen des LEH sein wird, hat auch Auswirkungen auf das weitere kurzfristige Milchpreisniveau. Preisabsturz, auch in Bayern, oder Hoffnung auf eine baldige Wende! 

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