Tierwohlprogramme und -labels

Die Initiative Tierwohl (ITW) - 2015 von Handelspartnern gegründet - entwickelte ein Stufensystem, bei dem bereits bestehende Siegel, Kennzeichnungen und Labels in vier Tierwohl-Stufen eingeordnet werden. Diese Haltungsform-Kennzeichnung soll Kunden darüber informieren, wie die Tiere gehalten wurden, von denen das Fleisch oder Produkt tierischen Ursprungs stammt. An der Lebensmittelkennzeichnung nehmen fast alle großen Lebensmittelhändler in Deutschland teil (z.B. Aldi Nord, Aldi Süd, Edeka, Kaufland, Lidl, Netto Marken-Discount, Penny und Rewe). Seit 2019 werden Schweinefleisch und Geflügel nach diesem Stufensystem gekennzeichnet. Für Rind und Milch wurden die Kriterien in einer Arbeitsgruppe lang verhandelt und schließlich 2019 zum Abschluss gebracht. Ab 2022 kennzeichnet der Handel seine Eigenmarken - zunächst bei Trinkmilch - mit dem Haltungsformkennzeichen. Die Ausweitung auf weitere Milchprodukte der Eigenmarken ist geplant.

Tierwohl-Milch - Kennzeichnung bereits ab 2022 | Nach Einführung der Haltungsform-Kennzeichnung auf Fleischverpackungen (2019) - zunächst bei Geflügel und Schwein - forcierte der LEH (Lebensmitteleinzelhandel) die Ausweitung dieser Haltungsformkennzeichnung auch auf Rindfleisch und Milch. Der LEH plant, Milch und Milchprodukte der Eigenmarken Schritt für Schritt auf höhere Anforderungen ans Tierwohl umzustellen - beginnend mit Trinkmilch bereits ab 2022.

Nach zähem Ringen in einer ITW-Arbeitsgruppe wurden die Kriterien der Einstufung bei Rindfleisch und Milch Ende 2021 festgelegt und mit bestehenden Qualitätssicherungs-Programmen für Fleisch und Milch (QS, QM) abgestimmt. Es wurde eine Branchenvereinbarung getroffen und dabei festgelegt, dass Milch von Betrieben, die nach QM-Standard zertifiziert sind (dies sind immerhin rund 90 Prozent),unter Haltungsform-Stufe 1 vermarktet werden kann. Für QM+ zertifizierte Landwirte soll es einen Bonus in Höhe von 1,2 ct/kg Milch geben. Der Handel will den Bonus allerdings nur für die gelistete Milchmenge bezahlen und nicht für die gelieferte Menge.

Tierwohlprogramme und ihre Labels auf Milchpackungen:

• Für mehr Tierschutz (Einstiegsstufe und Premium)
  Weitere Infos unter: www.tierschutzlabel.info
• Pro Weideland 
  Weitere Infos unter proweideland.eu
• DLG Tierwohl 
  Weitere Infos unter www.dlg-tierwohl.de
• QM-Milch
  Weitere Infos unter qm-milch.de

Grundsätzlich ist das Zusatzmodul QM+ eine Ergänzung zum QM Standard 2020, weitere Ausbaustufen (QM++ und QM+++) für die Haltungsstufen 3 und 4 sollen folgen.

Die Branchenvereinbarung  (unterzeichnet vom Bundesverband des Deutschen Lebensmitteleinzelhandels, vom Deutschen Raiffeisenverband, Deutschen Bauernverband und vom Milchindustrie-Verband) sieht vor, daß im April die ersten QM+ gelabelten Produkte im Kühlregal stehen sollen. Die Markteinführung wird ­allerdings schrittweise erfolgen. Molkereien und LEH beschäftigen sich derzeit intensiv mit der Einführung von QM+. Laut Branchenvereinbarung soll der LEH für seine Handelsmarken auf möglichst viel QM+ Milch zurück­greifen.

Mit dem von QM-Milch entwickelten Zusatzmodul namens QM+ können Landwirte Milch für Haltungsform 2 liefern. Voraussetzung ist, dass die Molkerei QM+ Milch erfasst und an den Handel vermarkten kann. Für QM+ zertifizierte Landwirte soll es einen Bonus in Höhe von 1,2 ct/kg Milch geben. Der Handel will den Bonus aber nur für die gelistete Milchmenge bezahlen und nicht für die gelieferte Menge.

Die einzelnen Kriterien für QM+ finden Sie hier.

Die Zertifikatslaufzeit beträgt drei Jahre, wobei jeweils nach 18 Monaten ein Bestätigungs-Audit durchgeführt wird. Beim Audit festgestellte Mängel werden fotographisch dokumentiert, wodurch ein Nachaudit hinfällig ist, da der Milcherzeuger die Dokumentation der Korrekturmaßnahme selber nachreichen kann. Kann der Milcherzeuger einen festgestellten Mangel innerhalb der vereinbarten Frist beheben, bleibt er in Haltungsstufe 2, andernfalls fällt er in Haltungsstufe 1 – vorausgesetzt er erfüllt die QM-Anforderungen. Kann er auch diese nicht erfüllen, fällt er komplett aus dem Haltungsstufensystem.

Es finden - zusätzlich zu den regulären QM-Audits - einmal jährlich ein unangekündigter Bestandscheck statt – auch dann, wenn im Regel-Audit kein Mangel festgestellt wird. Unangekündigt bedeutet: Der Betriebsleiter wird nur dann telefonisch kontaktiert, wenn er zum Zeitpunkt der unangemeldeten Kontrolle nicht auf seinem Betrieb anzutreffen ist. Kann der Auditor allerdings mehrmals hintereinander den Stallcheck nicht durchführen, werden voraussichtlich Konsequenzen zu ziehen sein. Welche Folgen das sind, wird vom QM-Milch e.V. noch erarbeitet. Das Audit ist ein reiner Stallcheck, bei dem eine festgelegte Auswahl der Programmkriterien geprüft werden, eine Dokumentenprüfung findet nicht statt.

Neben der tierärztlichen Bestandsbetreuung, rückt auch die Teilnahme an Tiergesundheits-Monitoring-Programmen (z.B. Antibiotikamonitoring, Schlachtbefunddatenbank) bei QM+ in den Fokus. Es empfiehlt sich, rechtzeitig mit dem Tierarzt zu sprechen, denn dieser ist beispielsweise für die Dateneingabe in die Antibiotikadatenbank zuständig. Ist ein Betrieb am 01.11.2022 nicht in der Datenbank zu finden, hat er für QM+ keine Lieferberechtigung. Eine Überbelegung der Liegeplätze sollte grundsätzlich vermieden werden - auch bei temporär zulässiger Überbelegung der Liegeplätze von bis zu 10 Prozent je Gruppe besteht wenig Kulanz. 

Die Zertifizierungen laufen über einen Programmkoordinator (z.B. seitens Molkerei / MEG / Milchprüfring), der die Milcherzeuger bündelt und die Zertifizierungsstelle beauftragt. Die Aufgaben des Koordinators sind unter anderem die Interessenswahrnehmung der teilnehmenden Betriebe, die Datenverwaltung und -bearbeitung in der Datenbank, die Unterstützung des Sanktionsbeirates bei Sanktionsverfahren sowie die Informationsweitergabe an den Milcherzeuger. Auch entscheidet der Koordinator, wie zu verfahren ist, wenn ein Betrieb ein Audit nicht bestanden hat.

Ob sich die Teilnahme und damit der Tierwohlaufschlag rechnet, kann nur jeder Betrieb individuell für sich entscheiden. Je höher die Investitionen sind, umso unattraktiver dürfte die Teilnahme an QM+ sein. Bei der Kalkulation darf nicht vergessen werden, dass der Handel den Aufschlag in Höhe von 1,2 ct/kg Rohmilchäquivalent nur für die Milch zahlt, die über den LEH mit der neuen Auslobung „Haltungsform 2“ tatsächlich verkauft wird. Auch für den Export spielen die Haltungsformen nach wie vor keine Rolle. Abhängig davon, welches Label gegenüber dem Verarbeiter seitens LEH gefordert wird, können die Milcherzeuger das Zertifizierungsprogramm nur bedingt frei wählen.